Autorin: Jil-Marie Menne
Datum: 05.01.2023
Kategorie: Wissen

Was ist Legal Tech eigentlich?

Immer öfter hört man im Bereich der Juristerei den Begriff Legal Tech. Doch was bedeutet das eigentlich? Legal Tech halt vielfältige Definitionsmöglichkeiten, doch vereinfacht gesagt geht es um die Digitalisierung der juristischen Arbeit. Dabei sollen einzelne Arbeitsprozesse, aber auch Rechtsdienstleistungen vermehrt automatisiert ablaufen. Automatisierung ist die maschinelle Durchführung von Arbeitsprozessen, die ansonsten manuell durchgeführt werden müssten. Diese Prozesse können dann selbstständig erfolgen, sodass Aufgaben mit immer wiederkehrenden Abläufen durch den Computer erledigt werden können. Dabei muss der Mensch lediglich noch den automatisierten Prozess überwachen. Dadurch gelangt man zu einer Effizienz- und Qualitätssteigerung. Juristinnen und Juristen müssen sich mit schematischen Abläufen nicht mehr in voller Breite beschäftigen, sondern können sich komplexen Rechtsentscheidungen widmen.

Im Folgenden werde ich einmal kurz darstellen, wie vielfältig legal Tech einsetzbar ist.

Zeitersparnis durch Legal Tech

Durch die Automatisierung von Arbeitsabläufen lässt sich eine enorme Zeitersparnis betrachten. Durch beispielsweise digitale Vertragserstellung oder das Verfassen einer Klageschrift, können Juristinnen und Juristen ihre Zeit in nicht standardisierbare Bereiche investieren; nämlich die Beratung und den Austausch mit Mandanten oder die Bearbeitung komplexer Rechtsangelegenheiten. LegalSmartDocuments, eine interaktive Plattform, ermöglicht beispielsweise eine dialogbasierte eigenständige Erstellung von Verträgen sowie anderweitigen Rechtsdokumenten.
Auch das Roboter-System (RPA) beispielsweise kann in Kanzleien durch seinen Einsatz Anwältinnen und Anwälte entlasten. RPA ist eine spezielle Art von Software, die Menschen repetitive und regelbasierte Aufgaben abnimmt.

Dabei können die Roboter bereits bestehende, kanzleiindividuelle Arbeitsschritte ohne weitreichende Anpassung übernehmen und automatisieren sowohl komplexe Arbeitsabläufe als auch einzelne Arbeitsschritte.
Es gibt also eine Menge an Entlastungsmöglichkeiten und somit kann zukünftig enorm viel Zeit gespart und in wesentliche Aufgaben investiert werden. Dabei sind die Beispiele natürlich nicht abschließend und in Zukunft wird es sicherlich noch viele neue innovative Ansätze geben.

Mandantenakquise mit Legal Tech

Nicht nur die interne Arbeit lässt sich durch Legal Tech Innovationen unterstützen. Advocado zum Beispiel stellt Kontakt zwischen Mandant:innen sowie Anwält:innen her. Darüber hinaus ist auch eine digitale Fallbearbeitung möglich. Anwält:innen können solche Plattformen dafür nutzen, um ihre Mandant:innen über das eigene Rechtsgebiet zu informieren. Zusätzlich können dabei gleich eigene Rechtsdienstleistungen, folglich Rechtsprodukte angeboten werden.

Vernetzung mit anderen Anwaltskanzleien

Neben interner Prozessoptimierung durch Legal Tech, ermöglichen entsprechende Portale das einfache Outsourcing von Arbeitsprozessen. Es kann sich schnell um Terminvertretungen gekümmert werden, aber auch für die Vernetzung von rechtlichem Know-how können solche Portale enorm hilfreich sein.
Digitorney, ein weltweites Netzwerk für Anwälte und Anwältinnen, bietet die Möglichkeit, bei internationalen Rechtsfragen verschiedene Kanzleien und Anwälte in aller Welt zu erreichen und dem Mandanten eine qualitativ hochwertige Beratung zu ermöglichen. So vermittelt Axiom beispielsweise Jurist:innen projektbezogen in Voll- und Teilzeit an Unternehmen.

Legal Tech in der Rechtsprechung

Wirkt sich Legal Tech denn auch schon in der Rechtsprechung aus? Dazu lässt sich sagen, dass es bisher nur wenige Entscheidungen der Gerichte bezüglich Legal Tech gibt.
Ein wichtiges Verfahren ist das „weniger-miete.de“- Urteil des BGH – darin beurteilte der BGH erbrachte Inkassoleistungen von Legal-Tech Unternehmen als zulässig.
Im Oktober 2021 trat dann das erste sogenannte „Legal-Tech Gesetz“ in Kraft. Dies dient der Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt. Ziel ist es die Anwaltschaft und Legal-Tech Unternehmen bezüglich ihrer Rechte und Pflichten einander auszugleichen, um letztlich den Zugang zum Recht zu steigern.
Das OLG Stuttgart beispielsweise nutzt nun Künstliche Intelligenz um die Massenklagen des VW-Skandals schneller abwickeln zu können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass derzeit oft noch eine unklare Rechtslage herrscht. Daher werden sich die Gerichte mit hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren noch vermehrt mit der Zulässigkeit von Legal-Tech Anwendungen beschäftigen müssen. Es bleibt spannend, wie sich dies entwickeln wird.

Legal Tech in Wissenschaft und Forschung

Spannend bleibt auch, wie sich Legal Tech im Bereich der Forschung entwickeln wird. Forschung zeichnet sich vor allem durch ein hohes Maß an Interdisziplinarität aus. Neben der Informatik gibt es auch Berührungspunkte mit der Linguistik, Psychologie, Philosophie, Mathematik und den Wirtschaftswissenschaften. Es lässt sich also noch einiges entdecken und dabei interdisziplinär zusammenarbeiten.
Spannend sind zum Beispiel Fragen aus dem Bereich des Strafrechts und der Digitalisierung: Wie kann Cybercrime erfasst werden? Welche neuen Methoden und Strafverfolgung sowie Kriminalprävention bietet Legal Tech?
Außerdem, wie lässt sich Legal Tech mit der Rechtsethik vereinbaren? Wie können künstliche Intelligenz und Algorithmen Rechtsurteile beeinflussen?
All das sind Fragen, welche noch lange erforscht werden können und mit zunehmendem Einsatzgebieten von Legal Tech-Innovationen werden sich neue Fragen herausbilden.

Die Zukunft mit Legal Tech

Jurist:innen sind mehr und mehr für individuelle Rechtsfragen statt für standardisierte Dienstleistungen wie Testamentserstellung, Dokumentanalyse etc., zuständig. Dabei bietet Legal Tech effizienteres Arbeiten durch die Automatisierung von Standardprozessen. Juristen und Juristinnen können sich also vermehrt auf die komplexen Rechtsangelegenheiten ihrer Mandanten und Mandantinnen konzentrieren.
Der Einsatz von Technik führt dabei dazu, dass Rechtsrat effektiver, transparenter und kostengünstiger bereitgestellt werden kann. Doch diese Entwicklungen stehen gerade erst am Anfang. Kompetenzen wie technisches Verständnis oder unternehmerisches Denken werden dabei immer wichtiger. Wichtig ist auch, dass Bund und Länder sich auf finanzielle Unterstützung einigen und Projekte und Ideen künftig umgesetzt werden können. Denn trotz der hohen Relevanz von Legal Tech sind Bund und Länder derzeit noch etwas zögerlich, was natürlich schade ist.

Legal Tech in der Juristenausbildung

Bis lang gehört Legal Tech nicht zum Pflichtstoff einer juristischen Ausbildung. Doch sollte sich dies in der Zukunft ändern? Legal Tech wird in den nächsten Jahren vermutlich mehr und mehr an Bedeutung gewinnen, doch wissen viele Juristen gar nicht damit umzugehen.
Um die Digitalisierung in Zukunft schneller umzusetzen, wird Wissen im Bereich Legal Tech benötigt.
Daher ist erwünscht, dass Universitäten eine Reformierung der Juristenausbildung anstreben, um den Anforderungen moderner Rechtsberatung und Rechtsprechung zu genügen. Es besteht Potenzial, frühzeitig die ersten Bausteine für digitales Arbeiten zu legen.
Einige Universitäten bieten bereits umfangreiche Wahlpflichtangebote rund um Legal Tech und die Digitalisierung der Rechtsberatung an. Doch bundeseinheitlich geschieht dies noch nicht. Bislang übernehmen studentische Legal-Tech-Initiativen die Aufgabe, das durchaus wichtige Thema zu verbreiten und den Studierenden nahe zu bringen. Dabei sind bereits kleine Anreize hilfreich, sich mit dem Thema einmal auseinanderzusetzen und nicht „blind“ in die Zukunft zu schauen.

Fazit

Legal Tech kann in vielen Bereichen der Juristerei Prozesse optimieren. Dabei sind die oben genannten nur einige von vielen weiteren Einsetzungsmöglichkeiten. Da Legal Tech leider noch nicht im Studium eingebaut wird, lasst euch doch gerne durch unsere Vorträge das komplexe Thema ein bisschen näher bringen, um in Zukunft digitales Arbeiten schneller voranbringen zu können.

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