Autor: Natalie Stoeckler
Datum: 31.01.2023
Kategorie: Vorträge

Einführung

Am Dienstag, den 24.01.2023, konnten wir von Tianyu Yuan, dem CEO von Codefy, mehr über die Prüfassistenzsysteme erfahren, die Codefy der Justiz anbietet. Tianyu Yuan hat sowohl Robotik als auch Jura studiert und war bereits bei einer internationalen Wirtschaftskanzlei tätig. Er war außerdem schon am Aufbau mehrerer Start-ups beteiligt. Er brachte uns näher, wie Codefy ein großes Problem angeht, das die Justiz in Deutschland in Zukunft nur noch mehr belasten wird: schier nicht bewältigbare Mengen an Dokumenten.

Fast 35 Interessierte saßen gemeinsam im S 64, hörten dem Online zugeschalteten Redner zu und stellten am Ende Fragen.

Das Problem: Unmengen an Dokumenten

In den letzten Jahren hat der Einzug von Legal Tech sowohl auf Kläger- als auch auf Beklagtenseite dazu geführt, dass die deutschen Gerichte mit immer größeren Mengen an Akten zu kämpfen haben – ihre Aufgaben aber wegen stockender Digitalisierung oftmals noch ohne technische Unterstützung mit Papierakten bewältigen müssen.

Unternehmen wie etwa Flightright, aber auch Kanzleien, nutzen zunehmend Tools, mit denen sie ihre Schriftsätze automatisierter erstellen können, gerade im Bereich von Massenverfahren wie bei den Fluggastrechten oder in der Aufarbeitung des Dieselskandals. Dazu kommen Masseverfahren, also sehr umfangreiche Verfahren, in denen einzelne Schriftsätze mehrere tausend Seiten umfassen, was die Strukturierung für die Richter und Richterinnen schwierig und unübersichtlich macht. Das Recht wird zudem mit mehr Querverweisen und ausufernden Strukturen immer komplexer. All das trifft die Justiz in einer Zeit des aufkommenden Fachkräftemangels und all diese Herausforderungen werden in den nächsten Jahren wohl noch an Bedeutung gewinnen.

Was Codefy als Lösung anbietet: Prüfassistenzsysteme

Codefy ermöglicht aktuell einerseits die KI-gestützte Prüfung, speziell von Dieselklagen, in Bayern, andererseits gibt es ein Projekt in Baden-Württemberg, bei dem Richterinnen und Richter in ihrer Arbeit mit Dokumentenanalyse und -strukturierung unterstützt werden. Wie diese Systeme aussehen und arbeiten, zeigte Tianyu Yuan uns live anhand einer Demo-Version. Binnen Sekunden fand Codefy für den Richter oder die Richterin relevante Stellen im Schriftsatz – in dem Dieselskandal-Beispiel, das wir zu sehen bekamen etwa Modell und Motortyp des betroffenen Fahrzeugs, aber auch für den Prozess wichtige Angaben zu den Beteiligten. So wird dem Richter oder der Richterin das händische Suchen nach diesen Informationen und das Durchblättern vieler Seiten erspart. Das System soll außerdem zur Fehlervermeidung beitragen. Tianyu Yuan zeigte uns außerdem, wie Richterinnen und Richter mit der Suchfunktion gezielt den Sachverhalt durchsuchen können. Was in Papierakten gar nicht und in einzelnen pdf-Dateien mit [Strg] + [f] möglich ist, führt Codefy gleichzeitig für alle hochgeladenen Dokumente aus. Wir konnten außerdem einen Blick auf eine beispielhafte „Relationstabelle“ werfen, wie Codefy sie dem Richter oder der Richterin ausgibt. Hier werden alle relevanten Informationen samt Fundstelle gesammelt und der Richter oder die Richterin kann die Informationen für sich sortieren. Auch Zeugenaussagen, Telekommunikationsüberwachungsprotokolle und andere Beweismittel können hier eingebracht und verknüpft werden. Die Arbeit mit der Akte wird damit erheblich erleichtert.

Die Beschränkungen und Perspektiven

Was das Programm allerdings nicht kann und auch nicht vorgibt zu können, das machte Tianyu Yuan ganz klar: subsumieren. Es soll den Richter oder Richterin ausschließlich bei der Organisation der Aussagen und Fakten unterstützen. Als Perspektive riss Tianyu Yuan in den Fragen nach dem Vortrag zwar die mögliche zukünftige Unterstützung durch Codefy beim Schreiben von Urteilen an und brachte auch den Gedanken einer Art gemeinsamen Datenraums auf, in dem Richterin oder Richter und die Anwälte alle online mit den Dokumenten arbeiten könnten, anstatt sie sich per E-Mail hin- und herzuschicken. Man sei sich bei Codefy aber sehr wohl der Grenzen bewusst, die etwa das verfassungsrechtlich verankerte Recht auf den gesetzlichen Richter solchen Perspektiven setze. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Digitalisierung bei der Justiz auch mit Unternehmen wie Codefy und unterschiedlichen Lösungen aus dem Legal Tech-Bereich entwickeln wird.

Wir bedanken uns bei Tianyu Yuan für den sehr interessanten Vortrag!

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