Autorin: Jana Bethke
Datum: 29.04.2023
Kategorie: Vorträge

Arens

Zum Start ins Sommersemester gab Prof. Dr. Stephan Arens am 25.04.2023 spannende Einblicke in das Thema „KI, Digitalisierung und Gesellschaftsrecht – Unvereinbare Welten?“. Prof. Arens ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrechts und Professor für Wirtschaftsrecht an der FOM Hochschule für Ökonomie & Management und forscht schwerpunktmäßig zum Handels-, Gesellschafts-, Insolvenz- und Arbeitsrecht.

Die an den Vortrag anschließende Diskussion wurde von William Homburg, einem unserer Vorstandsvorsitzenden, moderiert.

Aktuelle Gesetzesänderungen

Zuerst zeigte Prof. Arens auf, welche formellen Grundlagen das Gesellschaftsrecht für KI und Digitalisierung bereithält. Wesentliche Änderungen seien erst im letzten Jahr in Kraft getreten und beträfen vor allem virtuelle Sitzungen und Unternehmensgründungen. Als weitere praktische Anwendungsfelder nannte er Unternehmensbewertungen sowie die automatisierte Informationsbeschaffung

Das Für und Wider virtueller Sitzungen und Versammlungen

Virtuelle Sitzungen der verschiedenen Gesellschaftsformen wurden größtenteils erst durch bzw. während der Coronapandemie ermöglicht. Gesetzlich habe sich dies für die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft in § 118a Abs. 2 AktG, für die Beschlussfassung ihres Aufsichtsrats in § 108 Abs. 4 AktG und für GmbH-Gesellschafterversammlungen in § 48 GmbHG niedergeschlagen. Die Eröffnung derartiger Möglichkeiten biete aber nicht nur Vorteile, sondern berge auch Risiken für die Vertraulichkeit der Daten und ausgetauschten Informationen, begrenze den persönlichen Austausch und eventuell auch den Zugriff auf relevante Dokumente. Unter den Vorteilen seien die (Reise-)Zeitersparnis und Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks, vor allem bei internationaler Besetzung der Organe zu nennen. Für gute Stimmung sorgte der Hinweis auf Schlagzeilen zu physischen Hauptversammlungen der letzten Jahre, die, anstatt inhaltlicher Fragen, die Versorgung mit Würstchen oder die Verpflegung im Allgemeinen bewerteten.

Eigeninitiative zur Schaffung von Rechtssicherheit nötig

Jedenfalls könne noch nicht von vollständiger Rechtssicherheit gesprochen werden. Abgesehen von der Frage, ob der Aufsichtsrat die komplette Sitzung oder nur die Beschlussfassung virtuell abhalten kann, ist es in allen Fällen erforderlich oder zumindest ratsam, genauere Regelungen in der Satzung sowie in Geschäftsordnungen zum Ablauf und vor allem auch der Sitzungsleitung und -dokumentation zu treffen

Online-Notartermine – work in progress

Weiterhin wurden mit Wirkung zum 01.08.2022 die Möglichkeit geschaffen, bestimmte Notartermine online abzuhalten. Nachdem die Hürde der digitalen Personenidentifizierung überwunden und die Funktion der qualifizierten elektronische Signatur eingerichtet wurden, ist dies hinsichtlich der GmbH-Gründung bisher auf die Bargründung beschränkt. Dies sei vermutlich ein Grund dafür, dass die Option noch gar nicht so umfassend genutzt wird. Die zukünftige Ausweitung auf (Teil-)Sachgründungen, Satzungsänderungen, Übernahmeerklärungen von Kapitalerhöhungen und Beglaubigungen ließe aber vermuten, dass sich die Akzeptanz für die digitalen Funktionen steigern wird.

Inhaltliche Aspekte

Im zweiten Teil des Vortrags ging Prof. Arens auf die Auswirkungen der Digitalisierung auf interne Tätigkeiten und die Unternehmensleitung in Gesellschaften ein. So würden im Hinblick auf Compliance bereits Chatbots für auftretende Fragen genutzt und auch ganze Mitarbeiterschulungen seien mittels automatisierter Tools möglich. Schon heute erleichterten KI-Anwendungen die Sortierung und Auswertung großer Datenmengen. Zudem würden spezialisierte Tools zum Abgleich von Dokumenten mit der aktuellen Rechtslage eingesetzt.

Digitalisierung von Assets und Leitungsfunktionen

Als sehr zukunftsträchtiges Beispiel wurde die Tokenisierung, also die Herstellung der Verkehrsfähigkeit für Wirtschaftsgüter genannt. Gerade im Bereich von Immobilien, die sonst nicht einfach in Bruchteilen veräußert werden könnten, werde der Tokenisierung eine tragende Rolle zukommen.

Kritisch zu betrachten seien hingegen echte Entscheidungsbefugnisse für KI im Sinne einer Übertragung von Leitungsfunktionen. Hierbei stellten sich verschiedene rechtliche Probleme bezüglich der Rechts- und Verschuldensfähigkeit sowie einer eventuellen Einordnung als Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfe. Mittelfristig seien hier noch keine passenden Lösungen zu erwarten, sodass in naher Zukunft kein KI-Geschäftsführer eingesetzt werde.

KI – Arbeitserleichterung ist mit Vorsicht zu genießen

Bereits möglich sei demgegenüber aber der unterstützende Einsatz in Form von informationsbeschaffender KI. Doch auch hier käme es immer wieder zu rechtlichen Problemen, wie im Beispiel von KIs zur Anzeige von passenden Stellenangeboten oder zur Abgabe von Empfehlungen hinsichtlich einer Kreditvergabe, die eingegebene Daten in einer diskriminierenden Weise interpretierten und daher etwa Frauen keine Anzeigen für technische Berufe ausspielten oder systematisch schlechte Kreditwürdigkeit bescheinigten.

Derartige Rechtsverstöße müssten durch eine angemessene Eignungsprüfung sowie ständige Evaluierung und Überwachung unter Sicherstellung der Datenqualität verhindert werden. Andernfalls sei eine Haftung der jeweiligen (natürlichen) Leitungspersonen kaum abzuwenden. Die KI könne man in diesen Anwendungsfällen als eine Art Beraterin sehen. Für die Auswahl tauglicher Berater und Beraterinnen habe die Rechtsprechung in der analogen Welt die ISION-Grundsätze* entwickelt, die zwar nicht komplett anwendbar seien, aber als Richtschnur für die Entwicklung angepasster Grundsätze zum Einsatz von KI als Beratungsinstanz dienen könnten. So wurde als Vorschlag für die Überprüfung einer unabhängigen Entscheidung der Abgleich über mindestens eine weitere KI-Anwendung genannt.

Prof. Arens schlussfolgerte, dass der Einsatz von KI und Legal Tech zur selbständigen Entscheidungsfindung aufgrund der rechtlichen Begrenzung von Leitungskompetenz auf natürliche Personen nicht möglich sei. Im gesellschaftsrechtlichen Kontext böten sich aber einige Chancen auf Arbeitserleichterung die teilweise schon genutzt würden.

Diskussionsrunde

Wie bei all unseren Vorträgen schloss sich daran eine Diskussionsrunde an. Auf die Frage, ob im Bereich der Tokenisierung von Gesellschaftsanteilen aufgrund der zu wahrenden Transparenz eine Grenze des Einsatzes von Legal Tech erreicht werde, antwortete Prof. Arens, dass man wohl zwischen Anteilen an (familiengeführten) GmbHs und Aktien differenzieren müsse. Bei Letzteren sei das Missbrauchsrisiko geringer, da der Bezug von tokenisierten Anteilen keine wesentlichen Nachteile gegenüber dem Direktbezug von Aktien berge.

Anwendungsbeispiele im Gesellschaftsrecht

Eine weitere Frage zielte auf Statistiken über die Effektivität von Mitarbeiterschulungen durch Chatbots ab. Hier seien keine Datenerhebungen bekannt, aber es bestehe eine positive Prognose für einen subjektiv höheren Lernerfolg, der auch bei Gamification-Ansätzen in der Lehre zu beobachten sei.

Weitere Themen waren die Pflichten aus dem Daten- und Geheimnisschutzrecht bei virtuellen Hauptversammlungen, die aufgrund fehlender Überwachungsmöglichkeiten faktisch auf den einzelnen Teilnehmenden zu übertragen seien, sowie der Anwendungsbereich von Smart Contracts im Gesellschaftsrecht, der vermutlich hauptsächlich im Bereich der Tokenisierung von Transaktionen liege.

Sollte ChatGPT eingeschränkt werden?

Da ChatGPT in aller Munde ist, kamen auch in unserer Diskussion die Wahrscheinlichkeit der Schnittstellenanbindung bzw. einer unternehmenseigenen Alternative unter Berücksichtigung von datenschutzrechtlichen Aspekten zur Sprache. ChatGPT werde laut Prof. Arens bereits weitläufig von Mandanten und Mandantinnen, aber auch Beratern und Beraterinnen, eingesetzt und ausgeworfene Ergebnisse würden im besten Fall von Fachkundigen überprüft. Bestünden Vorbehalte gegen eine Nutzung, seien aber auch Verbote für eine Nutzung durch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen denkbar. Im Fall von ChatGPT habe die Wirklichkeit die Juristerei aber überholt sollten, sodass die sich daraus ableitbaren Chancen genutzt werden und passende Rahmenbedingungen, hinsichtlich de Nutzungsmodalitäten, Nutzungseinschränkungen und dem geistigen Eigentumsrecht, gesetzt werden müssten. Zudem wurden auch schon vor ChatGPT Muster-Textblöcke, sei es automatisiert, digital oder in Form von Formularhandbücher, verwendet.

Bremst Recht Digitalisierung aus?

Zuletzt fand ein Austausch darüber statt, ob der Gesetzgeber im Allgemeinen die Digitalisierung mit Unternehmensbezug fördere oder ausbremse. Als Beispiel für eine Art Rückschritt wurde das Nachweisgesetz genannt und auf die an vielen Stellen noch bestehende ausschließliche Schriftformerfordernis hingewiesen. Hieraus ergäben sich viele Reformmöglichkeiten, wenn auch nicht überall Reformbedarf bzw. Reformreife, da eine eigenhändige Unterschrift neben der Warnfunktion mit der Möglichkeit graphologischer Gutachten immer noch eine gute Möglichkeit der eindeutigen Identifikation darstelle. Gerade in derartigen Fällen biete die Blockchain-Technologie gute Möglichkeiten.

Wir danken Prof. Arens für den interessanten Vortrag und den an der Organisation und Diskussion Beteiligten für ihr Engagement!

 

*Demnach muss der Berater fachlich qualifiziert und unabhängig sein. Beratungsergebnisse sind von den leitenden bzw. haftenden Personen auf Plausibilität hinsichtlich der vollständigen Wiedergabe von Tatsachen, der Abdeckung beabsichtigter Maßnahmen und in Bezug auf Widersprüche und Begründungslücken zu prüfen.

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